Elsa Mahler - Die erste Professorin der Universität Basel und Gründerin des Slavischen Seminars
Elsa Mahler - die erste Professorin der Universität Basel und Gründerin des Slavischen Seminars hatte eine aussergewöhnliche Biographie und einen aussergewöhnlichen Charakter. Doch steht ihr Lebenslauf auch für das erstaunliche Phänomen des Bildungsdrangs junger russischer Frauen schon im späteren 19. Jahrhundert.
Die Russlandschweizerin Elsa Mahler (1882-1970) wäre wohl ohne ihre Kindheit und Jugend in Russland nie Professorin geworden. Und doch liegt ihr Fall etwas anders. Sie war die Tochter eines Schweizer Kaufmanns in Moskau, durchlief ein Mädchengymnasium und besuchte die legendären Petersburger Bestužev-Kurse, die faktisch eine Hochschule für Frauen waren. Nach ersten gymnasialen Lehrerfahrungen, Weiterbildung in Berlin und einer Arbeitsstelle an der Akademie in Petersburg hielt Elsa Mahler sich in Basel auf, als die Russische Revolution ihre Rückkehr verhinderte. Mittellos geworden, konnte sie erste bescheidene Tätigkeiten an der Universität Basel ausüben und später Russisch unterrichten.
Der Weg bis zum Professorinnentitel sollte aber noch zwei Jahrzehnte in Anspruch nehmen: Zuerst folgte die Promotion, dann eine Verschiebung der wissenschaftlichen Interessen von Antike und Archäologie hin zur Slavistik, dann die breit angelegte Habilitation über die Totenklage in der russischen Volksliteratur – und dann noch ein weiteres Jahrzehnt einer materiell keineswegs abgesicherten Existenz als Lektorin. Doch setzte sie konsequent ihre frühe Absicht zu wissenschaftlicher Tätigkeit um. Die Ernennung zur Ausserordentlichen Professorin erfolgte 1938 an ihrem 56. Geburtstag.
Ich habe alles der Bestužev-Hochschule zu verdanken. Nie hat es eine bessere, ehrwürdigere Schule gegeben.
Elsa Mahler in einem Brief an ehemalige Kommilitoninnen
Keinerlei historische Dokumente, Chroniken und Annalen vermögen die russische Volksseele, die tiefverwurzelten Vorstellungen des Volks von Tod und Jenseits, seinen Charakter, Temperament, seine Gefühlsart und Denkweise, kurz das eigentümliche Wesen des russischen Volkes so tief, so sinnvoll, so unverfälscht zu spiegeln, wie es die Totenklage in schlichtem Bauernwort tut.
Elsa Mahler Die russische Totenklage
Elsa Mahlers wissenschaftliche Hinterlassenschaft enthält neben vielem anderem – darunter Lehrbücher der russischen Sprache oder eine Monographie über den Künstler Michail Nesterov – eine grosse Sammlung von Aufnahmen russischer Volkslieder, die auch späteren Forschern als wichtiges Material diente. Elsa Mahler reiste in den 1930er Jahren mehrmals nach Estland in russischsprachige Dörfer, ausgerüstet mit damals moderner Technik für Ton- und Filmaufnahmen. Einen Teil des Materials verwendete sie in einem Buch zum russischen Volkslied.
Zielstrebig und mit enormer Hartnäckigkeit baute Elsa Mahler die Russistik auf, die 1942 als eigenes Universitätsinstitut statuiert wurde. Obwohl ihr Verhältnis zur Alma Mater Basiliensis in späten Jahren nicht ganz ungetrübt war, widmete Elsa Mahler ihr letztes Buch über die russischen dörflichen Hochzeitsbräuche 1960 der Universität Basel zu deren 500-jährigem Bestehen. Elsa Mahler unterrichtete bis ins hohe Alter und starb 1970 in Riehen bei Basel.
2011 organisierte das Slavische Seminar eine Ausstellung in der Universitätsbibliothek Basel, die Elsa Mahlers Biographie, ihrer Arbeit, ihren Sammlungen und ihrem universitären Leben nachging. Die Ausstellung ist Teil des von der Freiwilligen Akademischen Gesellschaft unterstützten Vorhabens, den Nachlass Mahler aufzuarbeiten und sachgemäss zu archivieren. Neben dem Slavischen Seminar der Universität sind daran die Universitätsbibliothek Basel, die Fonoteca Nazionale Svizzera in Lugano, das Phonogrammarchiv des Ethnologischen Museums in Berlin sowie verschiedene Einzelpersonen beteiligt.